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Ein Anruf, der nach Frankreich führt
Zu Beginn des Jahres sitze ich auf Grund einer sehr winterlichen
Wetterlage zu Hause an meinem Schreibtisch. Bis ich Ende April oder Anfang
Mai wieder mit meinem Elektrorollstuhl draußen unterwegs sein kann, werde
ich noch viele Tage so verbringen. Es gilt die Zeit sinnvoll zu nutzen. Ich
suche nach Reiseangeboten. Dabei schaue ich nicht nur auf den Preis,
sondern in erster Linie geht es um eine gute Betreuung. Da ich schon öfter
den am Fuße der
Pyrenäen gelegen Wallfahrtsort besuchen konnte, weiß ich dass der
Malteser Lourdes â Krankendienst behinderten Menschen auch dieses Jahr
eine Pilgerreise zu dem französischen Wallfahrtsort ermöglichen möchte.
Während ich zu Jahresbeginn noch überlege mich für diese Tour anzumelden,
geschieht etwas sehr schönes. Ich bekomme eines Tages einen Anruf vom
Veranstalter, und damit auch die Möglichkeit, mich in die
Vorbereitungen einbringen zu können. Dies tue ich sehr gern. In Vorträgen,
die ich in den Geisa
und Schleid halte,
kann ich an Hand einer DVD verdeutlichen, dass man sich mit ruhigem
Gewissen und unbesorgt, dem Malteser Lourdes â
Krankendienst anvertrauen kann. Ich werde in diesem Jahr nicht allein
meine thüringische Heimat in Lourdes vertreten, sondern gemeinsam mit einer
Frau aus Geisa reisen.
Zwischenzeitlich haben mich alle Informationen erreicht. Jetzt heißt es
für meine Mutter Koffer packen und Rollstuhl putzen, damit wir, die mit mir
reisende Frau und ich, am Reisetag pünktlich starten können. Es ist
Mittwoch ca. 23.00 Uhr. Alles ist gepackt. Nun bleiben noch etwa zwei
Stunden und dreißig Minuten bis der Wecker wieder klingelt. Nach einer
kurzen Nacht starten wir am Donnerstag, 15. Juni, um ca. 2.30 Uhr, in
Geisa. Wir, die beiden Reiseteilnehmer
aus der thüringischen Rhön, fahren zunächst nach Fulda, von wo aus uns der
Malteser Fahrservice zum
Frankfurter Flughafen
bringen wird. Unser Flug mit
Hamburg International ist für 8.00 Uhr gebucht. Da das Einladen von
etwa sechzig behinderten Menschen lange dauert, treffen sich alle
Reiseteilnehmer und das Malteser - Betreuerteam bereits um 5.30 Uhr am
Flughafen. Ein Sprichwort, "Wiedersehen macht Freude", bewahrheitet
sich bereits jetzt. Rechtzeitig am Treffpunkt angekommen, begegnen mir
viele bekannte und neue, sympathische Gesichter. Für mich ist klar, es wird
eine schöne Reise. Viele von denen, die Lourdes schon kennen, wollen es
wieder wagen. Sie haben Familienangehörigen, Bekannten und Freunden von der
Einmaligkeit dieser Tage erzählt, und sie dafür begeistern können.
Nach einem angenehmen, wenn auch zeitlich verspäteten Flug, landen wir
gegen 11.30 Uhr in Tarbes, dem zu Lourdes gehörenden Flughafen. Von hier
bis zum Heiligen Bezirk, unserem Ziel dieser Reise, sind es nur noch wenige
Kilometer. Diese Strecke legen wir in Spezialbussen zurück.
Bereits am Donnerstagnachmittag beginnen wir unser Programm mit einem
Gottesdienst auf der "Prärie", einer Wiese, die sich gegenüber der Grotte
befindet. Während dieser heiligen Messe zum Fronleichnamsfest gedenken wir
in besonderer Weise, Jakob Graf von Eltz. Gemeinsam mit Freunden
ermöglichte er vor fünfzig Jahren behinderten und kranken Menschen erstmals
die Reise nach Lourdes. Bevor er im Februar diesen Jahres verstarb, war er
während den Pilgerreisen als Teilnehmer im Rollstuhl bei uns.
Die
Predigt macht deutlich: "Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als über
die Dunkelheit zu klagen.â Nach einer kleinen Pause, die wir nach dem
ersten Gottesdienst dieser Lourdes - Reise im Schatten der "Prärie" - Bäume
verbringen, können wir noch einen Eindruck der Sakramentsprozession
gewinnen. Sie führt von der Prärie über die Gave, dem Fluss im Heiligen
Bezirk, bis hin in die unterirdische Basilika Pius X. Für uns stellt es ein
besonders Geschenk dar am Fronleichnamsfest Jesus Christus in der
verborgenen Gestalt der Hostie durch den Heiligen Bezirk von Lourdes
begleiten zu dürfen. Aus jedem Einzelnen wird eine große Wir -
Gemeinschaft. Wir sind mit Gott unter allen Menschen dieser Erde.
Nach dem Abendbrot wollen die Meisten nur noch ihre Sachen sortieren und
ins Bett. Bis jeder kranke oder behinderte Pilger die gewünschte
Hilfestellung bekommen hat, vergeht noch einige Zeit. Es war für viele ein
langer Tag, aber wir sind angekommen.
Nach der ersten Nacht in Lourdes, die für mich relativ angenehm war,
beginnt am Freitag, 16.
Juni, unser Tagesprogramm. In großer
Prozession ziehen wir vom Accueil zur heiligen Messe an der Grotte. Eine
Jugendgruppe, die noch am Vorabend ankam, und einige Hotelpilger kommen
zunächst zu unser Unterkunft, um uns beim Prozessionsweg zur Grotte zu
unterstützen. Die Messe beginnt unter Leitung von
Weihbischof Dr. Guballa, um 9.45 Uhr. Die Jugendlichen umrahmen sie mit
passenden Liedern. Spätestens während der
Predigt wird der vielen noch unbekannte
Weihbischof, einer den wir gern in unserer Lourdes - Familie aufnehmen.
Er macht deutlich, dass jeder Mensch von Gott gewollt ist. Für Gott macht
es keinen Unterschied, ob wir behindert oder eben nicht behindert sind. Wir
können und sollen gegenseitig füreinander da sein. Wir Menschen sollten uns
eben nur immer auf einander einlassen. Anschließend gehen wir mit allen
Pilgern nacheinander ruhig durch die Grotte, vorbei an der Quelle, vorbei
an dem glatt geschliffenen Fels, der bereits von vielen berührt wurde. Der
Weg unserer Gruppe führt in großem Bogen über die hintere Gave-Brücke zur
Prärie.
Später treffen wir dir Jugendlichen und einige Hotelpilger zu einer
Begegnung untereinander vor unserer Unterkunft, doch ein neuer Versuch
miteinander ins Gespräch zu kommen, scheitert an ausfallender Technik.
Mir persönlich gelingt dennoch
eine Begegnung mit einer Bekannten, die ich schon länger aus Lourdes kenne.
Einbezogen ist auch
Weihbischof Dr. Guballa.
Im
Mittelpunkt der großen Begegnungsrunde steht Melissa. Als wir im
Jahre 2005 vor Ort waren, saß sie noch im Rollstuhl und wurde über
Infusionen ernährt. Eine Nahrungsaufnahme, wie sonst üblich, war für sie
seit Jahren nicht mehr möglich. Diesmal kam einem ein hübsches 20-jähriges
Mädchen selbst gehend entgegen. Auch das Essen ist ihr wieder möglich.
Als ich Ende 2005 telefonisch von den Ereignissen erfahre, vermag ich es
ebenso wenig zu begreifen, wie die Zuhörer heute. Dieses Telefonat war der
Anruf, mit dem ich meinen Artikel überschreibe. Seit diesem Augenblick war
für mich klar, ich muss wieder nach Lourdes. Wahrhaftig - Ich sehe und
erlebe, wovon ich heute berichten kann. Damit ist wieder mal bewiesen, wie
sehr man sich Gott anvertrauen kann.
Am Nachmittag lassen sich viele Kranke zu den Bädern bringen. Heute
können wir viel einfacher verwirklichen, wozu Maria 1858
Bernadette den Auftrag gab. "Trinken Sie aus der Quelle und waschen Sie
sich darin".
"Die Bäder bestehen aus 17 Wannen aus Marmor - 11 für die Frauen und 6 für
die Männer, zwei kleinere Wannen sind für Kinder -, in denen für einige
Sekunden im Wasser gebadet wird, das eine Temperatur von 12Â C hat. Der
Eintritt ist frei. Badesachen sind nicht notwendig. Das Notwendige zur
Wahrung der Intimität wird gestellt. Jedes Jahr kommen über 300.000 Pilger
in die Bäder".
Wenn man aus dem Lourdes - Wasser kommt, friert man nicht, wie sonst bei
gewöhnlichem Wasser. Man braucht sich auch nicht abzutrocknen. Darin
besteht für mich eines der Wunder von Lourdes. Das Wasser wird durch
unterirdische Leitungen zu Speichern geleitet, welche die Brunnen, die
Bäder und den Wasserweg versorgen. In seiner Zusammensetzung unterscheidet
sich das Lourdes - Wasser nicht von anderen Quellen dieser Gegend.
Wer nach dem Besuch der Bäder mag, kann sich auf der Prärie einfinden.
Hier wird der Kreuzweg in der Fassung von
Tomisla Ivancic gebetet. Anschließend begeben wir uns in die
unterirdische Basilika, wo bis zum Eintreffen der Sakramentsprozession noch
viel Zeit vergeht. Nach dem Abendbrot bleibt Zeit für private Dinge, oder
die persönliche Pflege. Bevor der Freitag, 16. Juni, sich verabschiedet,
kommt die Jugendgruppe zu uns, um mit uns zu singen.
Samstag, 17. Juni. Ein neuer Tag startet mit einem Morgengebet, als uns
die Malteser - Helfer wecken. Anschließend wird jeder mit viel Geduld und
Einfühlungsvermögen gepflegt und betreut, wie es im Einzelfall erforderlich
ist. Genau dies ist es, was ich seit Jahren schätze, wenn ich mit den
Maltesern unterwegs bin. Die angesprochenen Hilfestellungen werden uns
während der gesamten Reise auch weiterhin zu teil. Für heute setzen sie
sich zunächst beim Frühstück fort.
Anschließend
machen wir uns auf den kurzen Weg in Kirche St.
Bernadette, um eine heilige Messe zu feiern. Darin ist die
Krankensalbung integriert. Sechs Priester und der
Weihbischof gehen nach dem Glaubensbekenntnis zu den behinderten und
kranken Pilgern und vollziehen das intensive Sakrament, was die Menschen
aufrichtet. Zuvor sprach
Weihbischof Dr. Guballa in seiner
Predigt davon, wie viel Liebe und Nähe Maria durch Jesus erfahren hat.
Der
Weihbischof verschweigt auch die Spannungen, welche es manchmal
zwischen der Gottesmutter und ihrem Sohn gab, nicht. Dennoch, so wie Jesus
seinem Lieblingsjünger Johannes, seiner Mutter anvertraut, umgekehrt
vertraut er seine Mutter, Johannes an, so dürfen wir uns getrost in die
Hände von Jesus selbst begeben.
Was
ich zu beschreiben versuche, umrahmt die Jugendgruppe vor Ort
musikalisch. Das Ergebnis ist eine einmalige Messe, bei der ich liebe
Menschen, die nicht nach Lourdes kommen konnten, vermisse.
Nach dem Mittagessen verbringe ich mit Bekannten etwas Zeit, bevor die
Sakramentsprozession in der unterirdischen Basilika beginnt. Anschließend
gibt es Abendbrot. Heute bleiben einige der Jugendgruppe hier. Für uns
steht nach dem Abendbrot noch die Lichterprozession auf dem Programm, wobei
wir die Unterstützung der Jugendgruppe gern in Anspruch nehmen. Bis es
soweit ist, habe ich sehr nette, jugendliche Unterstützung beim Abendbrot.
So ergibt es sich, dass wir auch das besondere Erlebnis der Lichterprossion
miteinander teilen.
Zum
Abschluß eines wunderbaren Tages ergibt sich für mich noch die Erfüllung
eines Wunsches, den ich schon seit Jahren in mir trage. Gerade nach so
einer Lichterprozession, wollte ich einmal die beleuchtete Grotte von
Lourdes sehen. Heute geschieht dieses Wunder. Zu meiner sehr persönlichen
Freude, kommt die Freude, dieses Erlebnis mit jemandem aus der Jugendgruppe
teilen zu dürfen. Ich danke der Mutter Gottes für diesen einmaligen Tag.
In Lourdes werden die Mutter Gottes und ihr Sohn
täglich verehrt, was an diesem Ort auch angemessen ist. Heute, am Sonntag,
den 18. Juni, wird es im Rahmen unserer Pilgerreise in besonderer Weise
geschehen. Wir sind Teil der internationalen Messe, welche in der
unterirdische Basilika gefeiert wird. Das Innere dieses Bauwerks entspricht
einem Schiff, was auf dem Kopf steht. Nach Angaben, welche ich vor Jahren
hörte soll es offiziell für 25.000 Menschen zugelassen sein. Die Akustik
des Bauwerkes und die darin befindliche Orgel sind weltweit einmalig.
Selbst für eine heilige Messe in diesem Gotteshaus lohnt sich eine Reise.
Während der internationalen Messe werden die Lieder "... strophenweise in
verschiedenen Sprachen gesungen. Die Texte erscheinen auf großen Leinwänden
eingeblendet, ...". Das so entstandene
"... Erlebnis der großen internationalen Gemeinschaft ...", in Worte zu
fassen, fällt mir schwer. Ich kann nur empfehlen nach Lourdes zu fahren.
Nach dem Mittagessen verlassen wir einmal den Heiligen Bezirk. Nur
außerhalb kann man Andenken und Mitbringsel als Zeichen der Verbundenheit
mit Menschen, die nicht mit nach Frankreich reisen konnten, erwerben. Bei
der Auswahl beraten uns unsere Betreuer oder die jugendlichen Helfer. Dies
finde ich nicht nur angenehm, sondern auch hilfreich. Im Alltag haben
viele Kranke und Behinderte kaum Möglichkeiten, mal selbst in ein Geschäft
zu gehen, sich Artikel anzuschauen und selbstbestimmt auszuwählen. Sehr oft
fehlt im Alltag eine Begleitperson, die einem kranken oder behinderten
Menschen ein Einkaufserlebnis ermöglicht. Häufig sind vor vielen Geschäften
mehre Stufen, wobei bereits Eine für einen Rollstuhlfahrer ein Problem
darstellt.
Gegen 16.30 Uhr wieder im Heiligen Bezirk angekommen, nehmen wir in der
Nähe der Altarinsel Aufstellung zur Sakramentsprozession, die unsere große
Gruppe heute mitgestalten darf. Dies bedeutet "...Pilger von uns tragen das
Kreuz, Engelsfahnen ...". Heute wird
Weihbischof Dr. Guballa die große Ehre zu teil, die Monstranz, in
welcher sich Jesus Christus in Form der Hostie befindet, tragen zu dürfen.
Anschließend steht wieder ein schwieriger
Augenblick bevor. Wir verabschieden uns von den Hotelpilgern, die uns auch
tatkräftig zur Seite standen. Dafür sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Am Abend haben wir, die kranken und behinderten Pilger, noch einmal große
Freude, als die Jugendgruppe uns im Accueil besucht. Nach dem auch die
runden Geburtstage nicht unerwähnt bleiben
,
gibt es noch mehr Grund zum singen.
Entsprechend schwer fällt der Abschied von so fröhlichen, spontanen und
hilfsbereiten, jungen Menschen.
Nach einer angenehmen Nacht wecken und betreuen uns
die Malteser am Montag, 19. Juni, sehr früh, denn heute steht unsere
Heimreise auf dem Programm. Nach einem letzten Frühstück feiern wir noch
einen Abschlussgottesdienst.
Anschließend bringen uns die Spezialbusse wieder zum
Flughafen. Alle Formalitäten und das Einladen aller Behinderten und Kranken
fordern ihre Zeit und Geduld.
Wie die Bilder zeigen haben wir einen angenehmen Rückflug nach
Frankfurt. Viele sind müde, aber sicherlich sehr glücklich. Vom
Flughafen Frankfurt bringen verschiedene Fahrdienste die Pilger wieder an
ihre Zielorte. Auch ich und meine Mitpilgerin kommen gesund und zufrieden
wieder in
Geisa an.
Ich kann nur allen Beteiligten, allen mitgereisten Pilgern, dem
Malteser -
Team und den Seelsorgern, für kraftspendende Tage der großen Gemeinschaft
danken. Im Gebet sind wir verbunden. Gebe Gott, dass die
Malteser auch im kommenden Jahr ihren Auftrag
erfüllen können. Auf diese Weise werden wieder kranke und behindere
Menschen die Möglichkeit bekommen, an den französischen Gnadenort reisen
und eine große Menge Energie tanken zu können. Dies wünsche ich von ganzem
Herzen Vielen.
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