Lourdes, in Frankreich –
Gnadenort der Mutter Gottes
Erlebnisse mit einer großen Pilgerfamilie
Am 09. Mai sollten wir um 9.15 Uhr am Frankfurter Flughafen sein.
In Geisa, meinem Wohnort, fuhr ich morgens gegen 5.00 Uhr weg und war
fünfundvierzig Minuten später in Fulda, von wo es um 6.00 Uhr nach
Absprachen mit den Fuldaer Maltesern, denen schon zwei Fahraufträge
vorlagen, weiter gehen sollte. Der Plan funktionierte auch, so dass wir
durch problemloses Abholen der noch mitfahrenden beiden Frauen und eine
sehr freie Autobahnstrecke bereits um 8.00 Uhr in Frankfurt eintrafen.
Um 8.30 Uhr kamen die ersten Betreuer, die mit nach Lourdes reisten.
Dies war und ist bereits das erste schöne Erlebnis, viele Bekannte zu
treffen.
Es war 12.45 Uhr geworden, als sich unser Charterflieger in Bewegung setzte
und wenige Minuten später den deutschen Boten verließ. Während zu diesem
Zeitpunkt strahlender Sonnenschein in Deutschland herrschte, regnete es bei
der Ankunft in Frankreich. Auf dem Weg von unserem französischen Flughafen
nach Lourdes beteten wir bereits, und die innere Ruhe, die in den kommenden
Tagen in mir wieder breiter werden würde, begann bei mir langsam
einzukehren. Meine Gedanken waren besonders bei den vielen Menschen, die
ich in Gedanken mitgenommen hatte. Mit der Einfahrt in den Heiligen Bezirk
hatte unsere Gruppe, die aus ca. 50 Kranken und Behinderten, sowie ca. 70
ehernenamtlichen Helfern des Malteser Ritterordens bestand, das Ziel
erreicht. Kurz nach der Ankunft feierten wir eine heilige Messe in
unserem Speisesaal unserer im Heiligen Bezirk befindlichen Unterkunft, da
Christi Himmelfahrtstag war. Anschließend gab es Abendbrot und viele
wollten dann einfach nur auf ihr Zimmer. Auch ich machte mich mit
meinem diesjährigen Betreuer bekannt, der mir allerdings nicht mehr
fremd war, denn für mich war es die achte Reise nach Lourdes. Hinzu kam
im Laufe der Tage ein Österreicher, unser Betreuer – Team der Bistümer
Fulda, Limburg und Mainz bestand zum Teil aus deutschen und
österreichischen Helfern, der mich 1998 betreute.
Während ich am Abend des 9. Mai im Bett lag, freute ich mich eigentlich
schon auf den kommenden Morgen. Ich wusste, dass die Jugendgruppe bereits
angekommen und eine Bekannte von mir dabei war. Sie begegnete mir am ersten
Morgen in Lourdes, gemeinsam mit weiteren vertrauten Gesichtern, sowie
einigen Leuten, die mir noch unbekannt waren.
Am Freitag, 10. Mai, war unser erster gemeinsamer Gottesdienst mit der
Jugendgruppe, die uns im Laufe der Tage zu allen Gottesdiensten und den
heiligen Stätten im Bezirk begleitete, und dem großen Rest der über 400
deutschen Pilger aus unseren drei Bistümern für Lourdes – Verhältnisse
spät. Also beteten wir, die rollenden Pilger, einen bildlichen Rosenkranz.
Er ist als eine Art Geschichte niedergeschrieben und dadurch lockerer, aber
dennoch nachdenkenswert. Der mitgereiste, neue Fuldaer Bischof betonte in
seiner Predigt an der Grotte, dass das gegenseitige Zuhören der Menschen
untereinander in unserer hektischen Welt kam noch möglich ist, aber
eigentlich notwendig bleibt, um in einer menschenwürdigen Gesellschaft
weiterhin miteinander leben zu können. Dies schließt das Hören auf Gott,
ihn wahrzunehmen, ein. Nach dem Mittagessen, zu dem einige der Jugendgruppe
seit vielleicht drei Jahren bei uns bleiben dürfen, um uns auch dabei
zu helfen, geht unser enges Programm am Freitag weiter. In der
Rosenkranzbasilika, die unterste der dreiteiligen Kirche, ein Mittelpunkt
des Heiligen Bezirkes, findet eine „Begegnung“ statt. Einige erzählen über
Mikrofon, wer sie sind, woher – und warum sie nach Lourdes kommen. Im
Laufe der Jahre, es war irgendwann bei einer der ersten Reisen, da sie auch
noch im Zusammenhang mit der Öffnung der ehemaligen deutschen Grenze zu
sehen war, hab auch ich dies geschafft. In Lourdes schafft man vieles, wozu
sonst Kraft und Mut fehlen. Nach dem offnen Gespräch besteht die Möglichkeit
des Gespräches zwischen der Jugend und / oder anderen Pilgern und uns.
In einem weiteren Teil des Nachmiettages kam zur Sprache, dass die
Jugendgruppe im 10. Jahr mitgereist ist. Ich kenne Lourdes nicht
ohne Jugendgruppe und möchte genau sie auch nicht mehr vermissen.
Es folgt die tägliche Sakramentsprozession, die wir auch in diesem Jahr
einmal mitgestaltet haben. Die nicht an der Prozession beteiligten befindet
sich in der unterirdischen Basilika, die wie der gesamte Heilige Bezirk,
neben den Lautsprechern nun auch mit Videotechnik ausgestattet wurde. Wegen
der Größe der Kirche ist es zwar verständlich, aber das Ganze hat nicht
mehr die Atmosphäre, die ich 1992 zum ersten Mal überhaupt und im Freien
erlebte. Das Allerheiligste steht in einem Zelt auf der Prärie, einer
großen Wiese, um von dort in die unterirdische Basilika getragen zu werden.
Über die beschriebene Technik kann man zwar den gesamten Weg der Prozession
mitverfolgen, aber ich verliere dabei immer etwas die Orientierung. Ich
muss auf die Videowand schauen und verpasse vielleicht dennoch den Moment,
wo ich das Allerheiligste wieder mit eigenen Augen wahrnehmen kann, da es
bereits durch das entfernteste Tor Einzug in die Basilika gehalten hat.
Höhepunkt ist und bleibt die Segnung der kranken und behinderten Pilger.
Den Abend verbrachten wir in unserem Haus, wobei die meisten nach dem
Abendbrot gleich mit der Pflege beginnen.
Mittlerweile gehört der erste, komplette Tag in Lourdes und die zweite
Nacht der Vergangenheit. Der Samstag, 11. Mai, begann um 10.00 Uhr in der
Kapelle „St. Joseph“, die etwas versteckt neben der unterirdischen Basilika
liegt. Während dem Gottesdienst in „St. Joseph“ bekamen wir, die
behinderten Pilger und Alle, die es wünschten, die Krankensalbung. Mit 5
Priestern vollzieht unser Bischof, Heinz - Josef Algermissen, dieses
Sakrament in zwei langen Durchgängen. Da es sich in die Länge zog, war
Gottes Nähe und zärtliche Zuwendung diesmal nicht so spürbar für mich, wie
vergangenes Jahr.
Am Nachmittag des Samstages war Gelegenheit zum Einkaufen. Auch diese Zeit
verbrachte ich mit einer Bekannten aus der Jugendgruppe. Wir berieten uns
gegenseitig. Obwohl es viel oberflächliches, was mit Lourdes zu tun haben
soll, zu kaufen gibt, finde ich doch etwas, was den Empfängern Freude
bringt und ein Zeichen der Verbundenheit ist. Der Samstag wurde der
längste Tag des gesamten Aufenthaltes in Lourdes, denn die
Leichterprozession stand noch auf dem Programm. Vorsichtshalber werden
wir in Regencapes verpackt. Als wir starten nieselt es wirklich, so dass
die Kerzen auf dem Weg zur Rosenkranzbasilika immer wieder entzündet werden
müssen. Das gemeinsame Gebet und die Fürbitten vieler Sprachen, machen sich
im Licht des Herrn auf den Weg zu unseren Familien, Allen, die wir in
Gedanken mitgenommen, und den Menschen der ganzen Welt. Damit die
Rollstuhlfahrer hinter mir auch noch etwas sehen, durfte meine Bekannte,
als die Prozession an der Rosenkranzbasilika angekommen war, nicht bei mir
stehen bleiben, was ich verstehe. Wir waren in Sichtweite und beten
bestimmt so für einander. Anschließend brachte sie mich zurück in unsere
Unterkunft.
Der Sonntag, 12. Mai, hält aus meiner Sicht einen weiteren Höhepunkt
bereit. Ich meine die internationale Messe in der unterirdischen Basilika,
deren musikalische Akustik mich immer wieder faszinierend beeindruckt.
Ich kann nur jedem empfehlen, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen,
welche Emotion und Spontaneität möglich ist, wenn tausende Menschen aus
aller Welt sich am gleichen Ort treffen und trotz der Unterschiedlichkeit
gleiche Gedanken haben. Direkt im Anschluss an diese beeindruckende Messe
werden alle Pilger eingeladen mit den Priestern zur Grotte zu ziehen, was
unsere Gemeinschaft gerne tut. Auch dies gehört zu meinen erstmaligen
Eindrücken von Lourdes. Am Sonntag geh ich nachmittags im Quellwasser von
Lourdes, was von seinem Ursprung zu Steinwannen in einfachen Kabinen
geleitet wird, zum Baden, während Andere den Freiraum ganz unterschiedlich
nutzen. Vor und während dem Bad bin ich sehr auf mich konzentriert und
achte darauf, nicht so hektisch getaucht zu werden, wie ich es auf Grund
fehlender Sprachkenntnisse während meiner ersten Lourdes – Reise erlebte.
Diese Prozedur geschafft, bin ich froh und zufrieden, weil ich weiß, dass
das Wasser heilend für Körper und Seele ist. Auf Grund der chemischen
Zusammensetzung des Wassers, kann dies zwar kaum möglich sein, aber etwas
wunderbares hat es schon, wenn man sich vor Augen führt, dass darin
Menschen aus aller Welt mit verschiedensten, körperlichen Wunden baden und
doch keine gegenseitigen Ansteckungen bekannt sind. Ich hatte selbst schon
körperliche Wunden, die nach dem Bad besser
heilten.
Nach dem Bad hatte ich gegenüber der Grotte Ruhe für mich, die ich neben
dem Gebet dann zu einer kleinen Rundfahrt mit meinem Betreuer nutzte.
Bevor unsere Gruppe anschließenden die Sakramentprozession mitgestaltete,
wie oben beschrieben, beteten wir einen Rosenkranz auf der großen
Wiesenfläche im Heiligen Bezirk. Ich fand schön, ihn mit den Anderen beten
zu können. Sonst bleibt mir oft nur für Alle, die mir am Herzen liegen, zu
beten. Der Abend verlief üblich, nach dem der Bischof zum Abendessen bei
uns war. Dabei sollte er mir helfen und ich ein Gespräch mit ihm führen.
Da der Bischof auch zu anderen Behinderten gerufen wurde, wurde
verständlicher Weise nicht viel aus der Hilfestellung und dem Gespräch.
Im Laufe der Tage hörte ich von irgendwem, dass in der Abschlussmesse,
am Montag, 13. Mai, eine Firmung mit stattfinden wird. Es handelte sich um
einen Jugendlichen, der mit seiner Mutter im Hotel wohnte. Nach einer
kurzen Pause, nach dem Ende der diesjährigen Lourdes – Abschlussmesse,
auf der Terrasse unseres Hauses, und einem Mittagessen, hieß es für dieses
Jahr von Lourdes Abschied zu nehmen. Nun folgte die Fahrt zum Flughafen,
Tepé, auf der wir noch einmal beteten. Nach einigem Warten in einem
Sammelraum des Flughafens, ging das Einladen von uns Behinderten schneller,
so dass wir auch früher starten konnten, als der Zeitplan eigentlich vorsah.
Um 18.00 setzten wir auf der Frankfurter Landebahn auf und waren vielleicht
eine Stunde später bei unseren Fahrzeugen. Ich fuhr über eine freie
Autobahn, gemeinsam mit meinen beiden Mitfahrerinnen, die zu ihren
Wunschorten gebracht wurden, zurück zur Fuldaer Malteser – Station, wo mich
mein Vater bereits um 22.00 Uhr abholen konnte. Man fährt ca. 40 Minuten
nach Geisa. Glücklich und gesund zu Hause angekommen, zeigte unsere
Küchenuhr die Zahl 23. Das war Lourdes im Jahre 2002, so einmalig, wie es
nur in diesem Jahr sein konnte, und wie es auch all die Jahre vorher
einmalig war.
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